Psychotherapie Bonn

Buchhändler oder Wetterfrosch?

Vor ein paar Tagen war ich in meinem Lieblings-Buchladen. Ich hatte mir ein Buch zur Ansicht bestellt. Es waren Ferien, die Sonne schien und ich hatte Zeit….… So viel Zeit, dass ich mich in dem Geschäft kurzerhand in einen Sessel setze, in Ruhe Passagen aus dem Buch lese und Passanten beobachte.

An der Kasse sprechen wir über das schöne Wetter und darüber, dass der Buchhändler seinen Urlaub unglücklicherweise immer dann nähme, wenn es regnen würde. Er hätte statt Buchhändler auch Wetterfrosch werden können.

„Im nächsten Leben“, meine ich. „Ach, Sie glauben an Reinkarnation?“ „Ja, das tue ich“ erwidere ich. Wir sprechen darüber, was wir im nächsten Leben anders machen würden. „Ich glaube nicht viel. Es ist gerade gut so, wie es ist“, sage ich.  Und er überlegt: „Ich wollte immer Buchhändler werden. Nein, es ist bei mir auch gerade gut so wie es ist“.

Beschwingt verlasse ich den Buchladen und entscheide ich mich für einen Cappuccino an der Eisdiele – zum Mitnehmen. Mein Nachbar läuft an mir vorbei. Seit Jahren wohnen wir im selben Haus. Aber wir haben uns nie länger unterhalten. Ich spreche ihn an. Wir gehen zusammen nach Hause und reden. Über unsere Eltern, die während des 2. Weltkrieges aufwuchsen, über seine Arbeit als Kunsthistoriker, über das Buch, das ich mir gerade gekauft habe …

Ich komme nach Hause und bin glücklich.

Unsere Tage sind gefüllt mit unzähligen verschiedenen Tätigkeiten: Wir erledigen kleine und größere Arbeiten zu Hause oder während unserer Arbeitszeit. Wir laufen, fahren Rad, Auto, Bus oder Bahn. Wir kaufen ein, putzen, waschen, räumen auf. Wir denken, sprechen, hören zu und handeln. Wir begegnen Menschen persönlich, am Telefon, im Internet …

Vieles von dem, was wir tun, betrachtet unser Verstand als unwichtig. Wir sind in Gedanken abwesend. Wir denken an Zukünftiges oder Vergangenes. Planen unsere nächsten Schritte oder grübeln über das, was war, was nicht war, was hätte sein sollen oder anders hätte sein sollen…

Es gibt jedoch keine unwichtigen Dinge. Alles ist gleich wichtig.

Warum?

Weil in jeder Sekunde unser Leben stattfindet. Bei allem, was wir tun. Egal, was es ist.

In jedem einzelnen Augenblick verbringen wir unsere Lebenszeit. Und die ist nicht unbegrenzt.

Aber wir können uns jeden Tage neu dafür entscheiden, wie wir die Dinge tun: Bewusst oder unbewusst. In Ruhe oder gehetzt. Mit Achtsamkeit und Dankbarkeit oder immer abgelenkt von dem, was gerade ist.

Gelingt es uns, präsent zu sein, dann nehmen wir all die kleinen Dinge in unserem Leben wahr, die uns sonst entgehen. Dann werden auch nur kurze Begegnungen mit anderen Menschen zu wertvollen Momenten und ein  Spaziergang zum Buchladen zu einem wunderschönen Nachmittag.

Herzlichst Ihre Anna Kötting

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