Meine ältere Tochter Lea erzählte mir letzte Woche beim Mittagessen von einem Streit mit einer Freundin in der Schule. Nun würde es sich so komisch zwischen ihr und ihrer Freundin anfühlen. Sie gingen sich aus dem Weg, keiner würde das Thema ansprechen und sie wisse nicht, wie sie sich verhalten solle…
In diesem Moment hätte ich einfach meinen Mund halten, weiteressen und ihr zuhören sollen. Ich hätte mir meine ganzen Ratschläge sparen (die eh häufig auf ihren Widerstand stoßen) und darauf vertrauen können, dass Lea sich durchs Erzählen immer klarer wird, wie sie mit diesem Streit umgehen möchte.
Denn manchmal fühlen wir uns auch mit den besten Ratschlägen unverstanden.
Häufig möchten wir nur, dass uns jemand zuhört. Mehr nicht. Ohne Ratschläge, ohne Lösungen und ohne Bewertungen.
Was passiert, wenn wir richtig gehört werden? In diesen Momenten fühlen wir uns beachtet, verstanden und akzeptiert mit all unseren Gedanken und Gefühlen. In diesem Gefühl der Akzeptanz entwickeln wir mehr Zutrauen in uns selbst und Lösungsmöglichkeiten entstehen in uns wie von allein.
Erinnern Sie sich an Momo und wie sie einfach „nur“ zuhören konnte? Mit aller Aufmerksamkeit und Anteilnahme. In Michael Endes Kinderbuch steht: „Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten…“
Wir sind als Gesprächspartner vor allem dann hilfreich, wenn wir unserem Partner, unserer Familie oder Freunden mitfühlend zuhören. Wenn wir ihnen für eine Zeitlang unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir uns ganz Ohr und mit unserem Herz einlassen, auf das, was sie gerade bewegt.
Gleichzeitig machen wir es uns selbst damit leichter. Denn wir suchen nicht angestrengt nach Bewältigungsmöglichkeiten für unser Gegenüber. Sondern vertrauen darauf, dass sich ihre oder seine individuelle Lösung durchs Erzählen in diesem Moment entwickelt …
Diese Gedanken als kurze Anregung für Sie.
Ihre Anna Kötting
PS: Meister des Zuhörens war auch Carl Rogers, Begründer der Gesprächspsychotherapie. Er schreibt: „Wenn man mir zugehört hat und mich verstanden hat, dann ist es mir möglich, meine Welt auf neue Weise zu sehen und weiterzumachen. Es ist erstaunlich, wie Dinge, die unlösbar erscheinen, lösbar werden, wenn jemand zuhört …. „