Es liegt wohl am Alter – meinte eine Freundin zu mir. Mit diesem Gedanken kann ich mich noch nicht ganz anfreunden 😊. Aber vielleicht ergeht es Ihnen auch so:
Ich mag das Leben in der Stadt. Ich bin total gerne mit Menschen im Kontakt. Ich höre gerne die entfernten Geräusche der Straßen und Häuser von meinem Balkon aus. Und trotzdem sehne ich mich immer mehr nach einem Leben in der Natur.
Im Geiste wohne ich in einem Landhaus. Mitten im Grünen – ohne Nachbarn. Meine Lieblingsgeschäfte sind seit kurzem Gartencenter. (Letzteres ist tatsächlich neu. Vielleicht hat meine Freundin doch recht)
In seinem Buch: „Der Biophilia Effekt – Heilung aus dem Wald“ von Clemens G. Arvay finde ich ne Menge Erklärungen für meine Sehnsucht.
Der Biologe Arvay erläutert, wie die Natur heilend auf uns Menschen auf ganz unterschiedlichen Ebenen wirkt. Sowohl psychologisch als auch körperlich (z. B. auf unser Immunsystem). Und wie eng wir tatsächlich mit ihr verwoben sind.
Er verweist auf den Psychotherapeuten und Philosophen Erich Fromm (1900 – 1980), der die Sehnsucht des Menschen nach der Natur „Biophilia“ nannte (aus dem Griechischen: „Liebe zum Leben“).
Die Verbindung zur Natur sei das „Resultat eines Jahrmillionen langen Evolutionsprozesses. Der Mensch kommt aus der Natur, entwickelte sich in ihr und im Wechselspiel mit ihr“. Wir sind Teil von ihr – und das seit Anbeginn an.
Auf unsere Psyche z. B. wirkt die Natur unter anderem, weil wir uns hier zurückziehen können. Arvay nennt es „Being-away“.
Im Grünen nehmen wir eine Auszeit von der Gesellschaft. Wir sind – wenigstens für kurze Zeit – nicht erreichbar für unser Umfeld mit seinen Erwartungen. Wir spüren hier keinen Leistungsdruck.
In der Natur sind wir mitten im Leben, ohne uns beurteilt oder kontrolliert zu fühlen. Pflanzen, Tiere, Berge, Bäume: sie alle interessieren sich nicht für unsere Erfolge oder Misserfolge, wie wir aussehen, was wir leisten oder auch nicht. Wir dürfen einfach sein. Auch wenn wir uns gerade schwach, verloren und unsicher fühlen.
So sein dürfen, wie wir sind. Spüren Sie da mal rein. Wie fühlt sich das für Sie an? Entspannt sich da nicht auch etwas Ihnen?
Im Wald sind wir nicht erreichbar für die deprimierenden und angstmachenden Nachrichten, denen wir uns kaum entziehen können, sobald wir einen Blick auf unser Handy, Laptop, in den Fernseher oder ein Zeitungskiosk werfen. Unsere Psyche kann sich zumindest für eine kurze Zeit erholen.
Und: Vielleicht haben Sie auch schon erfahren, wie sich Ihre alltäglichen Probleme während eines Waldspaziergangs neu sortieren, ihre Bedeutung verlieren und Sie mit dem Gefühl zurückkehren, Lösungsansätze wie von selbst gefunden zu haben?
Die Natur bietet uns einen Ort des Rückzugs, in dem wir viel leichter nachdenken und reflektieren können. Wir verlassen unsere alltäglichen Erfahrungen. Die Schönheit der Natur inspiriert uns. Dadurch gewinnen wir Abstand zu unseren Problemen. Wir können uns entspannen. Und Lösungen entwickeln sich wie von selbst.
Gerade scheint die Sonne. Es ist Sonntag. Was halten Sie von einem Spaziergang im Grünen? Ich geh jetzt mit unserem Hund raus in den Wald. Vielleicht sehen wir uns 🙂
Herzlichst,
Ihre Anna Kötting