Das Bild zeigt eine Frau, die ihrem Hund gegenübersitzt. Die beiden schauen sich in die Augen. Es soll zeigen, wie wir uns im anderen wiedererkennen.

Ich erkenne mich in Dir

Erwischen Sie sich auch dabei, wie Sie andere Menschen und Ihr Verhalten verurteilen?  Sich über andere aufregen können oder auch mal gerne lästern? Ich glaube, davon kann sich keiner von uns freimachen. Wir verurteilen alle, mal mehr, mal weniger bewusst.

In diesen Momenten fühlen wir uns kurz überlegen, als etwas Besseres. Was uns aber nicht immer klar ist:

Wenn wir über andere Menschen urteilen, hat dies immer etwas mit uns zu tun.

Denke ich z. B.: „Meine Freundin verhält sich unfair ihrem Mann gegenüber, meine Mutter ist nicht klar und ehrlich zu ihren Freundinnen oder mein Partner handelt im Streit viel zu impulsiv …“, dann sagen diese Gedanken viel mehr über mich aus, als über den anderen.

Warum? – fragen Sie sich vielleicht? Weil ich Eigenschaften oder unbewusste Gedanken, die zu mir gehören, die ich aber an mir selbst ablehne, auf andere projiziere.

Ich verbanne sie so aus meinem Bewusstsein. Damit vermeide ich, mich mit mir selbst und diesen Eigenschaften, Gefühlen oder unbewussten Gedanken etc. zu beschäftigen.

Diesen Abwehr-Mechanismus haben wir früh in unserer Kindheit gelernt.

Als Kind fühlten wir uns häufig durch Eltern, Lehrer oder Freunde verurteilt. Wir hörten Aussagen wie, wir seien nicht hübsch genug, nicht klug genug, nicht stark genug, nicht liebenswert genug oder dass uns irgendeine andere positive Eigenschaft fehlt.

Dadurch fühlten wir uns weniger wert und getrennt von unseren Mitmenschen. Wir fühlten uns nicht dazugehörig, einsam und allein.

Diese Gefühle waren so schmerzhaft, dass wir alles taten, um sie nicht zu spüren.

Ein Weg, diese Gefühle zu vermeiden, bestand darin, sie abzuwehren, sie auf andere Menschen zu projizieren und selbst zu verurteilen.

Gefühle lassen sich aber nicht vermeiden. Sie blieben daher bei uns.

Nun sind wir erwachsen. Aber die alten abgewehrten Gefühle des Mangels und „Weniger-wert-sein“ stecken teilweise immer noch in uns. Und der beschriebene Abwehrmechanismus läuft auch in uns Erwachsenen in gleicher Weise immer wieder neu ab. Wir projizieren, um nicht fühlen zu müssen.

Wir können damit aufhören, indem wir uns unserer Verurteilungen bewusst werden.

Möglicherweise ist meine Freundin tatsächlich unfair, meine Mutter nicht immer authentisch, mein Partner sehr impulsiv und so weiter …
Aber viel wichtiger: Wo handele ich unfair, nicht klar und ehrlich oder impulsiv?

Jedes Mal, wenn wir über andere Menschen sprechen, sagen wir etwas über uns.

Wir erkennen uns in unserem Gegenüber. Und wir können in dem anderen nur das sehen, was in uns selbst vorhanden ist.

So entdecken wir uns selbst mit all unseren Eigenschaften. Wir werden dadurch Stück für Stück echter und „ganzer“. Und wenn es uns gelingt, auch unsere abgelehnten Eigenschaften immer mehr anzunehmen, verändern sie sich.

In der Gestalttherapie werden wir uns unserer Projektionen bewusst, erfahren wir uns selbst und all unseren Facetten, die zu unserem Leben ohnehin dazugehören. Wir hören auf, etwas beim anderen zu bekämpfen, was in uns selbst liegt.

Veränderung beginnt immer bei und in uns.

Herzlichst,

Ihre Anna Kötting

PS: Die Gestalttherapie ist ein sehr wirkungsvolles Therapieverfahren. Lesen Sie hier auch: Licht am Ende des Tunnels und Gestalttherapie: Habe ich das Problem wirklich? und Wie wir uns immer wieder selbst anstrengen.

 

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