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Traurige Gefühle zulassen

„Seien Sie traurig. Lassen Sie Tränen zu. Genießen Sie sogar das Gefühl von Traurigkeit – das mag merkwürdig klingen, aber wenn Sie etwas voll und ganz fühlen, dann sind Sie sehr nah bei sich selbst, und das ist etwas Angenehmes.“ – schreibt Dr. Christian Dogs in „Gefühle sind keine Krankheit“.

Ich kann nicht behaupten, dass ich meine traurigen Gefühle  bisher genossen habe… Aber wenn ich diesen Satz auf mich wirken lasse, dann stimme ich zu: Spüre ich meine Traurigkeit, bin ich näher bei mir. Dann fühle ich mich tatsächlich lebendiger und mehr mit mir verbunden.

Traurige Gefühle

In unserem Alltag lassen wir unsere traurigen Gefühle häufig nicht zu. Sie sollen uns in unserem vollen Leben nicht aufhalten oder wir haben Angst, dass wir von unseren Emotionen überrollt werden  und dann im Alltag nicht mehr richtig „funktionieren“.

Wir denken, wir könnten uns anderen Menschen mit unseren Emotionen nicht „zumuten“ und viele von uns möchten nicht, dass die Menschen um uns herum erfahren, wenn mal eben nicht „alles gut“ ist. Stattdessen halten wir mit aller Kraft einen Schein aufrecht, den Eindruck, dass wir unser Leben im Griff haben. „Ich denke, dass nur ich diese Probleme habe. Bei allen anderen scheint immer alles zu funktionieren.“  – Dies ist ein Satz, den ich oft in meiner Praxis höre.

Häufig haben wir  nicht gelernt, unsere Emotionen auszudrücken bzw. wir mussten sie in Kindheit und Jugend aus unterschiedlichen Gründen unterdrücken. Viele Eltern konnten die Emotionen ihrer kleinen Kinder nicht aushalten, da sie mit ihren eigenen Gefühlen überfordert waren. Und Kinder begriffen schnell: Mit meinen Gefühlen bin ich nicht in Ordnung.

So haben wir uns im Laufe des Lebens immer mehr von unseren Emotionen entfernt. Sie vergraben, tief in unserem Inneren. Wir sind „in den Kopf gestiegen“, betrachten das Leben lieber rational. Wir lenken uns ab mit äußerlichen Dinge (wie Essen, Alkohol, Geldausgeben, Ablenkung im Fernsehen & social media etc). Sind immer beschäftigt, damit wir uns selbst nicht spüren müssen. 

Leid, Schmerz, Wut oder Kummer gehören aber zu unserem Leben dazu. Wir machen ALLE Erfahrungen im Leben, die diese vermeintlich negativen Gefühle in uns hervorrufen.

Wütende und traurige Gefühle verschwinden nicht, in dem wir sie nicht zulassen. Es ist genau umgekehrt: Wenn wir unsere schmerzhaften und traurigen  Gefühle zulassen und ausdrücken verlassen sie uns.  Das Wahrnehmen und Ausdrücken belastender Emotionen ist ein super wichtiger Schritt, um z. B. tiefe Veränderungen im Leben bzw. Lebenskrisen besser zu bewältigen.

Nehmen Sie sich in Ihrem Alltag Zeit für Ihre aufkommenden Emotionen und fühlen diese bewusst.

Schreiben Sie Ihre Gedanken und traurigen Gefühle auf. Durch das Niederschreiben der Gedanken entsteht Klarheit und Distanz. Belastende Gedanken schwirren nicht weiter in Ihrem Kopf herum, sondern befinden sich auf dem Papier und lassen sich so viel besser bewältigen.

Indem Sie Gedanken und Emotionen benennen, werden Sie mehr zum Beobachter Ihrer Gefühle.

Vielleicht gibt es auch einen Menschen in Ihrem Leben, dem Sie sich anvertrauen möchten, eine Freundin, einen Freund oder einen Therapeuten. Meist hilft es schon, seine sorgenvollen Gedanken einmal auszusprechen. Das alleinige Aussprechen kann eine echte Entlastung sein.

Haben Sie Hemmungen (oder Ihnen fehlt eine Vertrauensperson), sich persönlich jemandem anzuvertrauen? Wenden Sie sich an die Telefonseelsorge. Auf der Seite https://www.telefonseelsorge.de/ erfahren Sie, wie Sie telefonisch, per email oder im Chat Unterstützung erhalten können.

Herzlichst,

Ihre Anna Kötting

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